Azoren: Auf eine Tasse Tee nach São Miguel
Ponta Delgada, 15. August 2019 Vulkanische Krater, tiefe Lagunen und zerklüftete Küsten sind die Markenzeichen der Azoreninsel São Miguel. Das immergrüne Eiland ist aber auch einer der wenigen Orte Europas, an denen Tee angebaut wird. Wenn Wolken an der Nordküste von São Miguel aufziehen, dann freut sich Madalena Motta. Die 46-Jährige leitet in fünfter Generation […]
Ponta Delgada, 15. August 2019
Vulkanische Krater, tiefe Lagunen und zerklüftete Küsten sind die Markenzeichen der Azoreninsel São Miguel. Das immergrüne Eiland ist aber auch einer der wenigen Orte Europas, an denen Tee angebaut wird.
Wenn Wolken an der Nordküste von São Miguel aufziehen, dann freut sich Madalena Motta. Die 46-Jährige leitet in fünfter Generation die Teeplantage «Chá de Gorreana», und die Erntezeit hat gerade begonnen. «Auf das Wetter ist hier Verlass, der Nebel und der häufige Regen sorgen dafür, dass auf unseren Highlands hervorragender Tee gedeiht», sagt Motta. Ihr Blick schweift über ihre weitläufigen grünen Teefelder, die sich den Hügel hochziehen.
Motta ist stolz, dass São Miguel einer der sehr wenigen Orte in Europa ist, wo Tee angebaut wird, das milde Azorenklima macht es möglich. Ihr Ururgro?vater gründete die Firma bereits im Jahr 1883, als der Export von Orangen nach Europa ins Stocken geriet und man nach Alternativen Ausschau halten musste. Damals wurden Maschinen aus England und Sträucher aus Asien importiert.
Aus dem Orient stammen heute auch viele der Pflanzen, die die Schönheit und Exotik der Azoren ausmachen. Die allgegenwärtige japanische Zeder etwa dient oft als Schattenspender auf den rund zwei Dutzend Wanderwegen, auf denen die grö?te der neun Azoreninseln erkundet werden kann.
Tee wird auch nach Nordamerika exportiert
Viele der Touristen, die hierher kommen, sind Amerikaner, oftmals Nachfahren von azorischen Auswanderern, die im 19. Jahrhundert in die USA gingen. «Wir fühlen uns enger mit Boston verbunden als mit Lissabon», sagt Motta, die ihren Tee auch in Nordamerika vertreibt.
Wie die gesamte Inselgruppe ist auch São Miguel vulkanischen Ursprungs, und die Wanderwege, die zu den Kratern hochführen, bieten spektakuläre Ausblicke. Der Riesenvulkan Sete Cidades (Sieben Städte) beherbergt die Zwillingslagunen Lagoa Verde und Lagoa Azul, eines der sieben Naturwunder Portugals, die nur durch eine Brücke voneinander getrennt sind. Vom Aussichtspunkt Mirador do Rei sieht man eine Lagune grün schimmern und die andere blau.
Der Legende nach füllte sich der blaue See mit den Tränen einer blauäugigen Prinzessin, die ihren Geliebten, einen Hirten mit grünen Augen, nicht heiraten dürfte. Dessen Tränen wiederum liefen in die Lagoa Verde. In Wirklichkeit spiegeln sich in der einen Lagune der Himmel und in der anderen die grünen Zedern und Lorbeerbäume, die bis ans Ufer wachsen.
Furnas liegt mitten im Krater
Nicht weniger beeindruckend ist das Vulkansystem Furnas, das auf der Ostseite der Insel liegt. Zwar gab es in historischen Zeiten keinen Ausbruch mehr, aber dass der Vulkan aktiv ist, merkt man sobald man in den gleichnamigen Kurort gelangt, der wegen seiner Heilquellen bekannt ist.
Das kleine Städtchen, das auf den ersten Blick an ein Bergdorf in Österreich erinnert, ist mitten in den Krater eingebettet. Wie sehr es unter der Erde blubbert, davon zeugen die vielen Schwefel- und Schlammlöcher, aus denen ununterbrochen Rauch emporsteigt.
Ein betuchter Amerikaner baute sich hier sein eigenes Thermalbad, dessen ockergelbes Wasser mit 42 Grad in das Becken sprudelt und legte den Grundstein für einen der bekanntesten botanischen Gärten Europas.
Park beherbergt zahllose exotische Pflanzen
Der Park gehört heute zum edlen Hotel «Terra Nostra», dem ältesten auf den Azoren, für dessen Gäste die Heilquellen und der Park auch die ganze Nacht offen stehen. Der Garten, der Tausende von exotischen Bäumen und Zierpflanzen aus aller Welt beherbergt, wirkt wie eine verwunschene Oase.
«Ich habe fünf Jahre gebraucht, um alle Pflanzen zu klassifizieren», sagt Carina Costa (33). Sie ist die Tochter des Chefgärtners Fernando Costa und will eines Tages in dessen Fu?stapfen treten.
Fernando Costas besonderer Stolz ist ein Areal voller Palmfarne. Hier gedeiht auch die immergrüne australische Wollemia Nobilis, der wohl seltenste Baum der Welt. «Diese Bäume sind so eigenartig, dass viele Besucher sich an Jurassic Park erinnert fühlen», sagt Carina und lacht.
Üppige Natur und karge Vulkanlandschaften wechseln sich an vielen Orten der Insel ab, etwa rund um die Lagoa do Fogo (Feuerlagune), die im Krater des gleichnamigen Vulkankomplexes liegt. Die Lavaberge reichen bis zu 947 Meter hoch, doch sie sind oft verhüllt von Wolken.
Wetter ändert sich mehrmals am Tag
In der Tat ist das Wetter auf den Azoren sehr launisch und kann sich mehrmals am Tag ändern. «Das berühmte Azorenhoch bleibt immer nur einen Tag bei uns, bevor es nach Europa weiterzieht», erklärt Eduardo Castello (32), der in der Hauptsaison von Mai bis Oktober als Guide arbeitet.
Er zeigt auf die Möwen, die hektisch über den Hügeln kreisen: «Immer wenn die Vögel ins Inselinnere fliegen, braut sich ein Sturm über dem Meer zusammen». Doch die vielen Niederschläge erweisen sich als Segen für die Flora. Auf der Insel wuchert alles, was in den vergangenen Jahrhunderten eingeführt wurde, egal von welchem Kontinent der Erde. Das gilt für die malayische Zehrwurz ebenso wie für die japanischen Hortensien oder den wilden Ingwer, der im Himalaya heimisch ist.
Die einzige Bedrohung sind der Mensch und sein Drang zur intensiven Landwirtschaft. Vor dem EU-Beitritt wurden im gro?en Stil Wiesen und Wälder in Weideflächen umgewandelt, um die Milchwirtschaft zu fördern. Auf jeden Einwohner auf São Miguel kommen mittlerweile zwei Kühe. «Das war ein Fehler», sagt Madalena Motta.
Auch ihr Vater sollte damals auf Druck der Behörden die Teefabrik schlie?en und in einen landwirtschaftlichen Betrieb umbauen. Dass er damals standhaft blieb, hat sich als richtig erwiesen. Heute floriert die Teefabrik der Familie und ist ein Besuchermagnet geworden.
Auf dem Rundweg um die Teeplantage laufen schon am frühen Morgen Gruppen von Touristen. Zwei Stunden braucht man, um alle Hänge zu erkunden, das Meer stets im Blick. Motta lacht: «Das macht den Leuten nichts aus, sie wissen ja, dass auf unserer Insel viel gewandert wird».
Info-Kasten: Die Azoren
Reiseziel: Die neun zu Portugal gehörenden Azoreninseln liegen ungefähr 1500 Kilometer westlich von Lissabon im Atlantik. Zwischen Flores, der westlichsten Insel, und dem östlichsten Eiland Santa Maria liegen rund 600 Kilometer. São Miguel ist die größte Insel.
Anreise: Azores Airlines fliegt von Frankfurt/Main und München aus nach São Miguel, Ryanair von Hahn im Hunsrück aus. TAP Air Portugal bietet täglich Flüge nach Ponta Delgada mit Zwischenstopp in Lissabon an. Die Flugzeit beträgt jeweils gut vier Stunden. Zwischen den Inseln gibt es entweder Flug- oder Fährverbindungen.
Reisezeit: Hauptsaison ist der Sommer, die heißesten Monate sind August und September. Für diejenigen, die die Inseln beim Wandern oder Radfahren entdecken wollen, bieten sich das Frühjahr und der Frühsommer an, wenn es kühler, aber angenehm ist.
Unterkunft: Die meisten Hotels bietet die Inselhauptstadt Ponta Delgada. Zu den individuelleren Alternativen zählen Landhäuser und Gutshöfe. Auf São Miguel lassen sich auch Zimmer in einer alten Windmühle oder in einem Kloster aus dem 17. Jahrhundert buchen.
Informationen: Portugiesisches Fremdenverkehrsamt, Zimmerstraße 56, 10117 Berlin, Tel.: 030/25410671, E-Mail: info.germany@turismodeportugal.pt, http://www.visit-azoren.de https://www.visitportugal.com.
Ute Müller, dpa