Wir leihen uns Werkzeug bei Nachbarn und übernachten bei wildfremden Menschen. Und auch das Auto teilen sich immer mehr Menschen. Neben dem klassischen Carsharing gibt es Vermittler für Privatleute, die ihren Wagen vermieten wollen. Doch dabei ist einiges zu beachten. Stuttgart/Berlin (dpa/tmn) – Fährst du noch oder teilst du schon? Diese Frage werden sich Autobesitzer […]

Wir leihen uns Werkzeug bei Nachbarn und übernachten bei wildfremden Menschen. Und auch das Auto teilen sich immer mehr Menschen. Neben dem klassischen Carsharing gibt es Vermittler für Privatleute, die ihren Wagen vermieten wollen. Doch dabei ist einiges zu beachten.

Stuttgart/Berlin (dpa/tmn) – Fährst du noch oder teilst du schon? Diese Frage werden sich Autobesitzer künftig öfter stellen. Denn nachdem die Flotten von Car2Go und DriveNow die Idee vom geteilten Auto auf breiter Front etabliert haben, wächst jetzt auch das Angebot für privates Carsharing. Inspiriert von Mitwohngelegenheiten wie Airbnb haben die ersten Dienstleister und Vermittler sogenannte Peer-to-Peer-Plattformen für das Auto entwickelt. Und die ersten Fahrzeughersteller springen auf diesen Trend bereits auf.

«Facebook und Co. haben das Verhältnis zwischen den Menschen verändert», sagt der Schweizer Zukunftsforscher Lars Thomsen. Heute teilten die Menschen viel Privates mit Fremden. «Und es wächst die Bereitschaft, auch persönliche, materielle Dinge weiterzugeben.»

Wichtige Fragen und Antworten zum Thema:

Welche Anbieter gibt es in Deutschland?

Der jüngste ist Turo, ein amerikanisches Start-up, das sich mit weltweit fünf Millionen Kunden und 200 000 Fahrzeugen in mehr als 5500 Städten als Marktführer im Peer-to-Peer-Sharing bezeichnet. Am Unternehmen ist seit 2017 auch Daimler beteiligt. Die Amerikaner treten in Konkurrenz zum selbsterklärten Europa-Marktführer Snappcar mit 50 000 Autos und 400 000 Kunden, in dem der Opel-Dienst CarUnity aufgegangen ist, oder zu Drivy. Der von Daimler vor gut einem Jahr in München gestartete Dienst Croove dagegen soll in Turo aufgehen. Sie alle vermitteln mehr oder minder überregional private Fahrzeuge zur Vermietung, leben von der Provision und versprechen Preise deutlich unter Mietwagen-Niveau.

Welche Idee steckt dahinter?

Die weltweit mehr als eine Milliarde und in Deutschland immerhin 45 Millionen Fahrzeuge stehen im Durchschnitt 23 Stunden am Tag still, erläutert Turo-Chef Andre Haddad. Mit entsprechenden Diensten lasse sich das Potenzial der Privatfahrzeuge optimieren: «Das ist eine flexible Mobilitätslösung für Reisende und gibt Autobesitzern ein wertvolles Werkzeug an die Hand, um die Kosten ihrer Fahrzeuge auszugleichen.» Denn die Besitzer bekommen für jede Nutzung Geld, und die Kunden zahlen für ein privates Sharing-Fahrzeug in der Regel weniger als für einen Mietwagen.

Wie funktioniert die Anmietung und Übergabe?

Die Vermietung erfolgt in der Regel über Smartphone-Apps oder die Internetseite. Bei Turo zum Beispiel können Mieter den Angaben zufolge neben Ort und Termin sogar Marke, Modell und Farbe des Fahrzeugs auswählen. Wird die Buchungsanfrage vom Vermieter akzeptiert, trifft man sich zur Übergabe des Wagens. Hier überprüft der Vermieter die Echtheit des Führerscheins, gemeinsam werden zum Beispiel Kilometer- und Tankanzeige sowie eventuelle Schäden am Auto mit Fotos festgehalten, erklärt Pressesprecherin Katharina Hein. Nachdem bei der Rückgabe des Autos alle Details überprüft wurden, erfolgt die Bezahlung über Dienste wie Paypal. Die Quittung lädt man sich auf der Webseite herunter.

Klingt etwas umständlich, oder?

Das räumt auch Susanne Kreusch ein. Die Berlinerin war zu Zeiten des mittlerweile eingestellten Opel-Services CarUnity eine Peer-to-Peer-Sharerin der ersten Stunde und hat ihren BMW 116i schon viele Dutzend Mal an wildfremde Menschen verliehen. Allerdings musste sie zur Übergabe der Schlüssel immer ein persönliches Treffen arrangieren, was die Flexibilität doch arg eingeschränkt habe.

Das ändert sich jetzt aber so langsam. Denn so, wie man die gewerblichen Sharing-Fahrzeuge von Car2Go und DriveNow ohne Schlüssel öffnen kann, lassen sich künftig auch herkömmliche Autos entsprechend aufrüsten: Smart und Mini jedenfalls bestätigen entsprechende Lösungen und kündigen die baldige Verkaufsfreigabe an.

Auch bei Drivy können Besitzer sich eine Technik namens Drive Open in ihr Auto einbauen lassen – damit können andere es per Smartphone öffnen und müssen Besitzer nicht mehr zur Übergabe treffen.

Der chinesische Hersteller Lynk & Co. hat seinem Geländewagen Lynk 01 sogar eigens einen Sharing-Knopf im Cockpit spendiert, mit dem man das Auto für eine definierte Gemeinschaft freigeben kann. Dann können registrierte Nutzer den Wagen mit dem Smartphone öffnen, und der Hersteller kümmert sich um die Abrechnung zu individuell festgelegten Tarifen, erläutert Markenchef Alain Visser.

Auch Volvo arbeitet an einem Geländewagen, der sich mit einem zuvor freigeschalteten Smartphone öffnen und so von Fremden nutzen lässt, ohne dass man erst mühsam Schlüssel übergeben muss.

Wie finde ich ein freies Auto?

Über die Webseite oder App lassen sich Autos in der Nähe suchen. Bei Turo können Vermieter außerdem eine Zustellung des Wagens gegen Aufpreis anbieten, zum Beispiel zum nächsten Flughafen oder zu einem anderen vom Kunden gewünschten Ort.

Was kostet es und welche Tarife gibt es?

Je nach Anbieter werden Autos stunden- oder tageweise angeboten – oft für weniger als 50 Euro pro 24 Stunden. Bei Drivy etwa beträgt der Durchschnittspreis nach eigenen Angaben 30 Euro pro Tag zuzüglich der Spritkosten.

Wie steht es um den Versicherungsschutz?

Die Vermittler Turo, Drivy und Snappcar kooperieren mit der Allianz. Der Vermieter muss eine entsprechende zusätzliche Versicherung abschließen, die Haftpflicht- und Kaskoschäden umfasst. Die Erstversicherung des Autos bleibt hiervon unberührt. Der Mieter kann zwischen mehreren Paketen mit unterschiedlichen Selbstbeteiligungen wählen.

Muss ich meine Kfz-Versicherung über das Carsharing informieren?

Das ist auf jeden Fall ratsam, sagt Jens Dötsch, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). So reduzieren Fahrer das Risiko möglicher Leistungskürzungen für den Fall, dass der Versicherer des Carsharing-Unternehmens doch nicht zur Gänze für einen Schaden aufkommen muss. Das gelte sowohl für Haftpflicht- als auch Kaskoversicherungen. «Es kann ja auch beispielsweise sein, dass ich einen Tarif habe, der gewerbliche Nutzung ausschließt», sagt Dötsch. «Und nichts anderes liegt ja hier vor, ich verdiene Geld damit.»

Bei einem Unfall sei es gängige Praxis, dass sich der Geschädigte bei der eigentlichen Haftpflichtversicherung des Verursachers meldet. «Denn ich weiß ja nicht, ob das Auto gerade im Carsharing unterwegs ist oder nicht», erklärt Dötsch. «Und als Geschädigter würde ich mich nicht auf undurchsichtige Konstruktionen verlassen, sondern mich an den Versicherer wenden, bei dem das Auto tatsächlich versichert ist.» Der lasse sich zum Beispiel über das Kfz-Kennzeichen beim Zentralruf der Versicherer in Erfahrung bringen.

Bei jeder Schadensmeldung müsse der Versicherer den Kunden zunächst automatisch hochstufen. Das lasse sich zwar im Nachhinein wieder rückgängig machen, wenn keine Zahlungen erforderlich sind, erläutert Dötsch. Dann müsse man dem eigenen Versicherer aber erklären, warum das Auto bei einem anderen Versicherer zusätzlich versichert ist – und ihn bitten, sich wegen der Höherstufung und Schadensregulierung mit diesem in Verbindung zu setzen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in der Praxis so reibungslos und ohne Arbeit für den Vermieter abläuft.»

Was ist steuerlich zu beachten?

Einnahmen aus einem privaten Carsharing von mehr als 256 Euro im Monat sind bei der Steuererklärung anzugeben.