Rosinenbomber im ewigen Eis: Einsatz unter Extrembedingungen
Bremerhaven, 23. November 2017 Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts forschen regelmäßig in entlegensten Polargebieten. Dorthin kommen sie mitunter nur mit ihren beiden Spezialflugzeugen. Die Polar 6 ist gerade wieder in der Antarktis unterwegs. Auch mit alten Maschinen lässt sich moderne Forschung betreiben. Das beweisen die beiden Flieger Polar 5 und 6, die fürs Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) […]
Bremerhaven, 23. November 2017
Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts forschen regelmäßig in entlegensten Polargebieten. Dorthin kommen sie mitunter nur mit ihren beiden Spezialflugzeugen. Die Polar 6 ist gerade wieder in der Antarktis unterwegs.
Auch mit alten Maschinen lässt sich moderne Forschung betreiben. Das beweisen die beiden Flieger Polar 5 und 6, die fürs Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) in der Antarktis und der Arktis im Einsatz sind. Sie sind zwar einerseits modern ausgestattet, doch ihre Rümpfe sind historisch. Die Polar 5 ist 75 Jahre alt.
Die beiden Flieger basieren auf der berühmten Douglas DC-3, die als Rosinenbomber Geschichte schrieb. Mit Maschinen dieses Typs brachten die westlichen Alliierten vor fast 70 Jahren Lebensmittel und Kohle nach West-Berlin.
Die Polar 6 ist gerade wieder in der Antarktis unterwegs. Die Schwestermaschine Polar 5 wird zurzeit auf eine Expedition in Grönland vorbereitet, die im Frühjahr 2018 startet. Es sind besonders robuste Maschinen. «Im Gegensatz zu den meisten anderen Flugzeugtypen gibt es für die DC-3 von Seiten des Herstellers keine Lebenszeitbegrenzung, weder nach Alter noch nach geleisteten Flugstunden», erklärt AWI-Direktorin Antje Boetius.
AWI-Geophysiker Daniel Steinhage kennt die Vorzüge der beiden Polar-Flugzeuge: „Man kann aufrecht drin stehen“, sagt der Wissenschaftler. Es könnte deutlich mehr Gerät untergebracht werden als in den Vorgängermaschinen. Außerdem haben Polar 5 und 6 eine größere Reichweite, wie Steinhage sagt. Sie könnten in noch entlegenere Gebiete fliegen – dorthin, wo Schiffe, Helikopter oder Schneemobile nicht mehr hinkommen. Der 49-jährige Forscher war schon mehrfach mit einem AWI-Flugzeug in unzugänglichen Polargebieten unterwegs, um Messungen vorzunehmen.
Für den Gebrauch im ewigen Eis wurden die Flieger besonders präpariert: Neben aufblasbaren Enteisungsmatten für die Flügelkanten und Heizungen für die Propeller gibt es auch Skier zum Starten und Landen. „Es existieren in der Antarktis nur wenige Pisten, die für Räder geeignet sind“, sagt Steinhage. Wird eine der beiden Maschinen an der AWI-Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis erwartet, präparieren die Bewohner vorher eine 1500 Meter lange Piste.
Proviant und Material bringen die Flieger eher selten mit, das übernimmt das AWI-Forschungsschiff Polarstern. Denn jedes Gramm Gewicht verbraucht mehr Sprit. «Das wird ganz schnell recht teuer», sagt Steinhage. Das gleiche gilt für Messflüge. „Wenn sich Kollegen beschweren, dass ihnen die Reichweite zu kurz ist, rate ich: Lasst Leute am Boden“, erzählt der Forscher. Denn mit jedem Wissenschaftler weniger an Bord sind auch weniger Überlebensmaterial und Verpflegung für Notfälle vorgeschrieben. Und geringeres Gewicht bedeutet mehr Reichweite.
„Da haben wir Geophysiker es sowieso besser“, sagt Steinhage. „Wir brauchen zum Kartieren meist nur zwei Kollegen. Die Atmosphärenforscher benötigen dagegen bis zu sechs, weil sie mehr Geräte haben, die bedient werden müssen.“ In diesem Jahr erreichte die Polar 6 als erstes deutsches Forschungsflugzeug den Nordpol, damit Geophysiker die Meereisdicke und die Transportwege von Meereis im Arktischen Ozean erforschen können.
Atmosphärenforscher erfassen wiederum Spurengase oder Partikel in der Luft, die wichtig für die Wolkenbildung sind. Geflogen wird in der Regel in bis zu 3000 Metern Höhe – so hoch, wie es ohne Sauerstoffzufuhr möglich ist. „Die Maschine hat keine Druckkabine“, erklärt Steinhage. Geht es höher in die Luft, werden von der Crew Sauerstoffmasken benötigt. Manchmal fliegen die Piloten, die von einer kanadischen Firma kommen, aber auch nur 30 Meter über dem Meereis – je nachdem, wie detailreich eine Messung sein soll. Unterhalt und Betrieb der Flugzeuge und der Messtechnik kosten über fünf Millionen Euro pro Jahr.
Um überhaupt fliegen zu können, muss das Wetter mitspielen. „Manchmal braucht man Geduld, um starten zu können“, so Steinhage. Mitunter verändern sich die Verhältnisse im Laufe eines Einsatzes. „Wir sind durchaus schon bei Bedingungen geflogen, die grenzwertig waren“, sagt Steinhage. „Wenn ringsum plötzlich alles weiß ist und man keine Kontraste mehr erkennt, kann man beim Landen nicht mehr abschätzen, wie hoch man noch ist.“
Janet Binder, dpa