Der schwierige Umgang der Lufthansa mit der eigenen Geschichte
Frankfurt/Main, 11. März 2016 In diesen Tagen erscheinen zwei Bücher über die frühe Geschichte der Lufthansa. Der Dax-Konzern leugnet den braunen Teil seiner Vergangenheit nicht, möchte aber auch technische Innovationen und Luftfahrtbegeisterung gewürdigt wissen. Die Lufthansa tut sich schwer mit ihrer eigenen Geschichte. Genauer gesagt mit ihrer vor 90 Jahren gegründeten Vorgängergesellschaft Deutsche Luft Hansa, […]
Frankfurt/Main, 11. März 2016
In diesen Tagen erscheinen zwei Bücher über die frühe Geschichte der Lufthansa.
Der Dax-Konzern leugnet den braunen Teil seiner Vergangenheit nicht, möchte aber auch technische Innovationen und Luftfahrtbegeisterung gewürdigt wissen.
Die Lufthansa tut sich schwer mit ihrer eigenen Geschichte. Genauer gesagt mit ihrer vor 90 Jahren gegründeten Vorgängergesellschaft Deutsche Luft Hansa, die zunächst eng in die verbotene Wiederaufrüstung des Deutschen Reiches eingebunden war und dann dem Nazi-Regime zu Diensten stand. Das beschreiben in sehr unterschiedlicher Gewichtung zwei Autoren, deren Bücher zum eher krummen 90. Jahrestag auf den Markt kommen.
Das aktuellere Werk stammt vom Bochumer Historiker Lutz Budrass, der sich in „Adler und Kranich“ sehr kritisch mit der Rolle der führenden deutschen Fluggesellschaft von der Gründung 1926 bis zum Erstflug der neugegründeten Lufthansa im Jahr 1955 auseinandersetzt. Er hat viele Fakten zusammengetragen, die nicht so recht zum strahlenden Technik-Image der Kranich-Linie passen wollen. Das Unternehmen leugnet die Vorgänge keineswegs, setzt aber eine eigene, deutlich wohlwollendere und technik-verliebte Publikation des Luftverkehrsjournalisten Joachim Wachtel dagegen.
Juristisch hat der heutige Dax-Konzern nichts mit dem in der Weimarer Republik gegründeten, quasi staatlichen Unternehmen zu tun, sicherte sich aber nach dem Weltkrieg die Markenrechte an Namen, Farbgebung und Kranich-Symbol. 1953 wurde mit der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf (LuftAG) ein Neuanfang gestartet, der im April 1955 in den ersten Linienflügen der neuen Deutschen Lufthansa mit amerikanischen Convair-Propellermaschinen mündete. Zunächst hatten die Alliierten den Deutschen jeden Luftverkehr untersagt.
Budrass‘ Kritik beginnt mit den personellen Kontinuitäten, die sich vor allem am langjährigen Lufthansa-Präsidenten Kurt Weigelt festmachen lassen. Der damalige Deutsche-Bank-Manager war bereits an der Gründung der ersten Luft Hansa maßgeblich beteiligt und zog auch nach dem Weltkrieg die Strippen, obwohl er als SS-Fördermitglied und Kriegsverbrecher zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war. Weigelt wurde Aufsichtsratschef der neuen Lufthansa und blieb bis zu seinem Tod 1968 Ehrenpräsident. Ebenfalls bei beiden Gründungen mittendrin war Görings Luftschutzbeauftragter Kurt Knipfer. „Die Lufthansa war in der ganzen von mir beobachteten Zeit eine staatliche Fluggesellschaft, die von einer hochrangigen und sich dynamisch ergänzenden Beamtenkoalition geführt wurde“, fasst Budrass zusammen.
Die Staatsnähe kam nicht von ungefähr, denn die Initiative zur Gründung der Deutsche Luft Hansa Aktiengesellschaft 1926 in Berlin ging den Forschungen zufolge eindeutig von der Reichsregierung aus. Sie wollte die Subventionen für die beiden fusionierenden Gesellschaften Deutsche Aero Lloyd und Junkers Luftverkehr AG senken und zugleich die vom Versailler Vertrag verbotene Wiederaufrüstung vorantreiben. Eine leistungsfähige zivile Airline sollte vor allem die deutsche Flugzeugindustrie mit Aufträgen versorgen und wurde dafür kräftig mit Staatsgeldern unterstützt.
Im Weltkrieg erging es Zwangsarbeitern bei der Luft Hansa nach Einschätzung des Historikers nicht besser oder schlechter als in anderen Betrieben der NS-Kriegswirtschaft. Die denkbar geringe Entlohnung der zeitweise über 7000 Zwangsarbeiter behielt das Unternehmen gleich für Kost und Logis ein, so lausig sie auch waren. Allerdings habe sich das Unternehmen im Unterschied zu anderen selbst die Zwangsarbeiter in militärischen Flugzeugreparaturwerken hinter der Front besorgt und damit zusätzliche Schuld auf sich geladen. Unter den Verschleppten waren den Forschungen zufolge auch viele Kinder, die in den engen Flugzeugrümpfen herumklettern konnten.
Diesen letzten, besonders schmerzlichen Teil der Firmengeschichte hatte Historiker Budrass bereits 1999 im Auftrag der Lufthansa untersucht und eine umfangreiche Arbeit vereinbarungsgemäß beim Konzern abgegeben. Entgegen seiner Erwartung wurde die Abhandlung aber nicht zum 75. Jahrestag 2001 regulär veröffentlicht, sondern nur auf Nachfrage als Beilage mit dem damals ebenfalls unveröffentlichten Buch des Luftverkehrsjournalisten Joachim Wachtel verschickt. Auch ein 2011 von der Bochumer Uni vorgeschlagenes Forschungsprojekt zur Geschichte der Lufthansa kam nicht zustande.
Wachtels luftfahrtbegeistertes und reichlich bebildertes Werk kommt nun unter dem Titel „Im Zeichen des Kranichs“ zu späten Publikationsehren. Es wurde 17 Jahre nach Fertigstellung doch noch veröffentlicht, mit der Zwangsarbeiterstudie als Beilage. Wollte Lufthansa dem Kritiker Budrass das Feld und die historische Deutungshoheit nicht allein überlassen? Diesen Verdacht weist Unternehmenssprecher Andreas Bartels zurück. Das neuerliche Jubiläum sei halt ein guter Anlass gewesen, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Eine komplette Unternehmensgeschichte bis zur heutigen Zeit steht allerdings immer noch aus.
Christian Ebner, dpa