09.12.2015 Knapp 72 000 Menschen hat die Hauptstadt in diesem Jahr aufgenommen. Die Hangars auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof sind wenig geeignet. Die neuen Bewohner möchten schnell wieder raus. Berlin – Fröhlicher Kinderlärm dringt aus dem Verschlag mit Metallbettgestellen und Holzpaletten. Dahinter spielen und toben rund 20 kleine Kinder zwischen alten Sesseln und Bierbänken. So […]

09.12.2015

Knapp 72 000 Menschen hat die Hauptstadt in diesem Jahr aufgenommen. Die Hangars auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof sind wenig geeignet. Die neuen Bewohner möchten schnell wieder raus.

Berlin – Fröhlicher Kinderlärm dringt aus dem Verschlag mit Metallbettgestellen und Holzpaletten. Dahinter spielen und toben rund 20 kleine Kinder zwischen alten Sesseln und Bierbänken. So improvisiert wie dieses karge Spielzimmer ist alles im Hangar 1 auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof in Berlin. Rund 660 Flüchtlinge leben mittlerweile hier, vor allem aus Syrien, Afghanistan, Irak, Pakistan, vom Balkan und aus Zentralafrika. Ein Drittel von ihnen sind Kinder. Die ersten 60 zogen am 26. Oktober ein. Sie leben in 54 weißen Bundeswehr-Zelten, darin stehen je sechs Doppelstockbetten. Sonst nichts.

Die riesigen Hallen – bis zu 20 Meter hoch und rund 100 Meter lang – sind einst für die Wartung von Flugzeugen konzipiert worden. Inzwischen wohnen hier in drei eiligst hergerichteten Hangars insgesamt etwa 2200 Asylbewerber in einer «Not-Not-Unterkunft», wie Sprecherin Maria Kipp vom Betreiber Tamaja Soziale Dienstleistungen GmbH es ausdrückt. Denn in den Hallen gibt es weder Toiletten noch Duschen – geschweige denn einen Hauch Privatsphäre. Quasi über Nacht wurden die Hangars unter dem Druck des anhaltenden Flüchtlingszuzugs als Unterkünfte hergerichtet.

Wenige Bänke und Tische stehen an den Wänden, nur im Essbereich können viele Menschen sitzen. Einziger Luxus: WLAN für alle. Es ermöglicht den Kontakt zu Verwandten. Schränke haben die Flüchtlinge keine, nichts zum Verwahren von Wertsachen. Kleidung kann nur in den Waschbecken gewaschen werden. Für das oft dringendste Bedürfnis müssen die Menschen raus auf das große, zugige Flugfeld. Dort stehen 171 Dixie-Klos und rund zehn Toilettencontainer, in denen sich auch Waschbecken befinden. Zum Duschen werden sie per Busshuttle in Schwimmbäder gefahren. Ungefähr jeden vierten Tag kommt jeder dran.

Nun sollen endlich 150 Duschen, Toiletten und Waschbecken installiert werden – für bald rund 4200 Flüchtlinge in dann sechs Hangars. Doch dafür müssen weitere Wasserleitungen gelegt werden. «Mit der Wasserversorgung sind wir bereits am Limit», sagt Michael Lenz vom Krisenstab Flüchtlingsmanagement des Senats. Doch die Alternative vor sechs Wochen wäre gewesen: «700 Flüchtlinge hätten auf der Straße leben müssen. Wir hatten keine Notunterkunft mehr.»

Rund 72 000 Flüchtlinge hat Berlin in diesem Jahr schon aufgenommen. Inzwischen gibt es 150 Not- und Gemeinschaftsunterkünfte. Doch Plätze für die täglich 400 bis 500 neu ankommenden Asylbewerber sind rar. Deswegen werden die Menschen in den Hangars immer wieder vertröstet. Eigentlich sollten sie höchstens zwei Wochen hierbleiben und dann in einem Heim untergebracht werden, erklärt Michael Elias, Geschäftsführer von Tamaja. «Länger sind diese Zustände auch kaum zumutbar», meint er selbst.

«Ich möchte hier raus und in ein richtiges Heim», sagt auch Omar. Mit seiner Frau und seinen sechs Kindern lebt er nach einer strapaziösen Flucht seit sechs Wochen in dem Hangar. «Die Luft ist schlecht, das Essen ist schlecht, und die Toiletten sind draußen», beklagt sich der Syrer. Doch keiner sage ihm, wie es für ihn und seine Familie weitergehe.

Deshalb müsse auch unbedingt die Infrastruktur verbessert werden, fordert der Betreiber. Es müssten nicht nur vernünftige sanitäre Einrichtungen, sondern auch mehr Sozialräume und mehr Betreuung für die Asylbewerber geschaffen werden. «Es sind nicht die beengten Verhältnisse, die die Menschen in erster Linie stören», sagt Elias. «Problematisch wird es, wenn die Perspektive fehlt.»

Quelle: dpa