In einer gecharterten Boeing mit Beinfreiheit, Rundum-Betreuung und ohne Umsteigen von Alaska in die Südsee – so schön kann Fliegen sein. Die Passagiere, die sich diese exklusive Reiseform leisten können, sind gut betucht und anspruchsvoll. Osaka (dpa/tmn) – Flugkapitän Gregor Schweizer ist geborener Basler und kein Mann vieler Worte. Seine Ansprache vor dem Start im […]

In einer gecharterten Boeing mit Beinfreiheit, Rundum-Betreuung und ohne Umsteigen von Alaska in die Südsee – so schön kann Fliegen sein. Die Passagiere, die sich diese exklusive Reiseform leisten können, sind gut betucht und anspruchsvoll.

Osaka (dpa/tmn) – Flugkapitän Gregor Schweizer ist geborener Basler und kein Mann vieler Worte. Seine Ansprache vor dem Start im japanischen Osaka beschränkt sich auf die Mitteilung: «Liebe Gäste, guten Flug!» Mehr ist in der Tat nicht zu sagen. Die 30 Passagiere kennen die Sicherheitshinweise. Sie kennen die geplante Route, und auch die Getränkeauswahl an Bord. Sie sitzen nicht zum ersten Mal auf Platz 3A oder 10F, sondern haben zu diesem Zeitpunkt schon fünf Flüge hinter sich. Am Ende werden es elf sein.

Die Eckdaten dieser Reise: Sieben Länder, vier Kontinente, 39 700 zurückgelegte Kilometer. In 19 Tagen einmal um die Welt. Im selben Flieger, mit derselben Crew. Von der «Sansibar» auf Sylt bis nach Sansibar vor Afrika, mit Zwischenstopps in New York, Kanada, Alaska, Japan, Palau und Vietnam.

Man muss sich das Unternehmen wie eine Kreuzfahrt vorstellen. Nur nicht mit einem Schiff auf dem Wasser, sondern mit einer gecharterten Boeing 737 durch die Luft. Deshalb nennt der Veranstalter, in diesem Fall das Hamburger Unternehmen Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, die Reise auch «Kreuzflug».

Weitere Parallelen zur Fahrt auf See: Alle Mahlzeiten an Bord und auf dem Boden sind inklusive. Es gibt einen Gepäckservice und einen Bordarzt, eine auf Expeditionsschiffen erprobte Chefreiseleiterin, und zwei erfahrene Reiselektoren als wandelndes Unterhaltungsprogramm.

Auch die Gästeschar entspricht der eines Luxusdampfers: Mehrheitlich jenseits der Pensionsgrenze und gut betucht – sehr gut betucht, muss man wohl sagen. Bereits Kreuzfahrten sind kein günstiges Vergnügen. Der Tagespreis eines Kreuzflugs beträgt mindestens das Dreifache einer Luxusschiffsreise. Für den Gegenwert dieser Weltumrundung, eine der längsten Touren im Programm, könnte man sich einen fabrikneuen Mittelklassewagen kaufen. Abzuwägen sind auch die ökologischen Kosten: Sind nicht schon genug Flieger in der Luft?

Diese Fragen plagen die Passagiere nicht. Zumindest reden sie unterwegs nicht darüber. Für sie steht im Vordergrund, möglichst individuell und doch rundum betreut an exotische Orte zu gelangen. Auf Geschäftsreisen habe man schon die meisten großen Städte der Welt gesehen, erklärt ein Ehepaar aus dem Schwarzwald. Aber wann kommt man schon mal direkt von Alaska in die Südsee?

Eine Teilnehmerin aus der Schweiz, pensionierte Lehrerin und verwitwet, geht sonst auf Wandertouren oder Segeltörns. Eine herkömmliche Kreuzfahrt wäre ihr «zu langweilig». Ihr gefällt am Kreuzflug, dass man nicht nur Häfen ansteuert und kurze Ausflüge macht, sondern sich in jedem Land zwei oder drei Nächte aufhält.

Ein anderer Gast, der vor zehn Jahren seinen Handwerksbetrieb am Starnberger See verkaufte, hat sich die Tour zum 80. Geburtstag geschenkt: «Ich träumte schon immer von einer Reise um die Welt.» Auf eigene Faust wollte er das nicht wagen. Der Service an Bord ist ihm nun fast schon zu luxuriös: «Den Champagner brauche ich nicht, ich trinke lieber Orangensaft.»

An Linienflugpläne und die Drehkreuze des Luftverkehrs müssen sich die Routenplaner nicht halten. Das ist der große Vorteil des Privatjets. Gibt es eine ausreichend große Landebahn, ist jeder Ort ein denkbares Ziel. Und nicht einmal die Landebahn ist unbedingt erforderlich. «Wir sind auch schon auf einer Schneepiste gelandet», erzählt Pilot Schweizer.

Kreuzflüge werden seit Mitte der 1980er-Jahre angeboten. Wenn man die Rund-um-die-Welt-Tickets der Linienfluggesellschaften dazurechnet, gibt es die Reiseform noch länger. Damals fragten sich Touristikfirmen, wie sie ihre Flugzeuge auch in den wenig frequentierten Wintermonaten nutzten könnten.

Der Veranstalter Consul Weltreisen ließ 1986 den ersten Kreuzflug nach Asien abheben. 58 Passagiere flogen mit. Auch Hapag-Lloyd ist mit einer Unterbrechung von 2000 bis 2007 seit fast 30 Jahren dabei; der Privatjet, der von einer Schweizer Firma gemietet wird, ist auf den Namen des ehemaligen Hapag-Generaldirektors Albert Ballin getauft. Ein dritter Anbieter ist der Studienreiseveranstalter Windrose.

«Wir haben viele Stammkunden», sagt Consul-Inhaber Dieter Forsen. Typisch sei der mittelständische Unternehmer, der seine Firma verkauft oder den Kindern übergeben und nun Zeit zum Reisen habe. Für die Veranstalter sind die Kreuzflüge ein Wagnis: «Die Fixkosten sind im Vergleich zur Gästezahl sehr hoch», erläutert Gabi Haupt, Produktmanagerin bei Hapag-Lloyd.

Zu Buche schlagen vor allem das für die gesamte Reise bereitgestellte Flugzeug und die siebenköpfige Crew – zwei Piloten, vier Kabinenkräfte und ein Techniker. Die Kreuzflüge werden aber auch angeboten, weil die Zielgruppe begehrt ist und man hofft, sie aus dem Flugzeug auf die Schiffe zu locken.

Der logistische Aufwand abseits der üblichen Reiserouten ist nicht zu unterschätzen: Zur Abwicklung des Flugs von Sylt nach New York musste eigens ein Zollbeamter aus Cuxhaven nach Westerland kommen. Auf Kodiak, einer Insel vor der Südküste Alaskas, gibt es keine Reisebusse zum Abtransport vom Flugfeld. Die Organisatoren mieteten deshalb zwei Schulbusse von der örtlichen High School für die Passagiere und einen dritten für die Koffer. Zum Glück waren gerade Sommerferien.

Vermarktet werden die Kreuzflüge als exklusives Luxusereignis. Bei der Ausgestaltung aber wird interessanten Orten und Erlebnissen der Vorzug vor einer Fünf-Sterne-Infrastruktur gegeben. Da Kodiak einer der besten Plätze der Welt ist, um Braunbären zu beobachten, fliegt man dorthin. Das erste Haus am Platz war ein nach süßlichem Raumspray duftendes Businesshotel mit Neonlicht und durchgelegenen Betten, üblicherweise frequentiert von den Vertretern der einheimischen Fischindustrie. Weil Palau im Philippinischen Meer eine der schönsten Unterwasserwelten zu bieten hat, kam dieser abgelegene Archipel auf den Streckenplan.

Oft sind es eher die kleinen Dinge, die den größten Zuspruch unter der anspruchsvollen Kundschaft finden: eine Rikschafahrt durch das abendliche Hanoi oder ein Abendessen am Strand von Sansibar unter Afrikas Sternenhimmel, und Reiselektor Kai Schepp zeigt das Kreuz des Südens. Über alles wacht Chefreiseleiterin Ingrid Schwarz. Sie ist die gute Seele der Reise, gleichermaßen mit Organisationstalent und Engelsgeduld gesegnet. Die Passagiere sind es gewohnt, umhegt zu werden und Sonderwünsche äußern zu können. Hier ein Balkonzimmer für eine Raucherin, dort ein Alternativprogramm zum Schnorchelausflug für zwei wasserscheue Mitreisende.

Ingrid Schwarz ist immer schon weg oder bereits da. Sie steigt als erstes aus dem Flugzeug, fährt mit den Koffern vor zum Hotel und prüft die gebuchten Zimmer. Dabei hilft ihr Bordarzt Roland Uhling. Der Hamburger Mediziner kümmert sich unterwegs nicht nur um Halsweh, Magendrücken und verstauchte Knöchel, sondern ist auch als Gepäckmeister im Einsatz. Kommt die Gruppe zurück zum Flieger, steht Ingrid Schwarz schon in Uniform mit Kapitän Schweizer zur Begrüßung an der Treppe.

Den größten Kummer auf dieser Reise bereitet Ingrid Schwarz ausgerechnet das Essen an Bord. Ist kalt, schmeckt nicht, dauert zu lange – so lauten die Klagen. Hier teilen die Passagiere im Privatjet unerwartet das Schicksal von Reisenden in Linienmaschinen. An der Vorbereitung liegt es nicht. Cateringfirmen liefern die Mahlzeiten zu, im Gepäckraum des Fliegers stapelt sich zum Wohl der Gruppe ein ganzes Warenlager: Weine, Säfte, Kaffee, Tee, Nüsse und Pralinen.

Ingrid Schwarz diskutiert mit der Crew, prüft die Bestellungen bei den Zulieferern. Schließlich zieht sie die Reißleine: Für den letzten Teil der Reise kommt noch ein Koch an Bord.

Info-Kasten: Kreuzflüge

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten: Das Erbe der Mauren und alte Königsstädte: Granada und Marrakesch (14.05.-17.05.2015). Ab 9 900 Euro. Ein Golfpaket kann für 250 Euro dazu gebucht werden. Deutlich teurer: Durch China, Tibet und Indien zum Welterbe der Unesco (12.09.-30.09.2015). Lijiang, Shangri-La, Lhasa, Chengdu, Peking, Delhi, Agra, Khajuraho, Bhopal und Aurangabad. Ab 59 900 Euro.

Consul Weltreisen: Entlang der Seidenstraße (08.09.-18.09.2015). Eriwan, Urgench, Samarkand, Isfahan, Shiraz. Ab 25 600 Euro.

Windrose bietet Reisen im Privatjet für Gruppen von bis zu 18 Personen aber auch Individual-Arrangements an. Zum Beispiel Magische Orte im südlichen Afrika (25.10.-14.11.2015). Johannesburg, Sabi Sand, Pretoria, Durban, Knysna, Kapstadt, Sossusvlei, Okavango Delta, Victoria Falls. Ab 31 490 Euro.

Rund-um die-Welt-Tarife: Eine ähnliche Route mit zehn Zielen kostet als Businessclass-Ticket der Star Alliance etwa 8500 Euro. Unterkünfte, Verpflegung, Ausflüge und Transport am Boden kommen dazu.