Rollout Pilatus PC-24: Volksfest am Vierwaldstättersee
21.10.2014 Mit einer großen Feier und einer beeindruckenden Flugschau hat Pilatus sein neuestes Produkt am Schweizer Nationalfeiertag dem Publikum vorgestellt. Unterdessen wird die PC-24 auf ihre Erprobung vorbereitet. Der Erstflug ist für Ende März 2015 geplant. Hätte es den helvetischen Freiheitshelden Wilhelm Tell je gegeben und wäre er noch am Leben, hätte er es sich […]
21.10.2014
Mit einer großen Feier und einer beeindruckenden Flugschau hat Pilatus sein neuestes Produkt am Schweizer Nationalfeiertag dem Publikum vorgestellt. Unterdessen wird die PC-24 auf ihre Erprobung vorbereitet. Der Erstflug ist für Ende März 2015 geplant.
Hätte es den helvetischen Freiheitshelden Wilhelm Tell je gegeben und wäre er noch am Leben, hätte er es sich bestimmt nicht nehmen lassen, an diesem urtümlichen, für die Schweizer Industriegeschichte bedeutsamen Anlass teilzunehmen. Am Tag, als Pilatus Aircraft die PC-24 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierte und gleichzeitig das 75-jährige Firmenjubiläum feierte, herrschte am Fuß des Bürgenstocks eine Stimmung wie an einem Schwingfest, mit dem Unterschied freilich, dass an diesem 1. August, dem Nationalfeiertag der Eidgenossenschaft, kein Sägemehl in die Arena gestreut, sondern ein großes Schweizer Kreuz auf den Asphalt gemalt worden war. Dies war der Platz, zu dem der neue, rund sechs Tonnen schwere „Super Versatile Jet“ von 24 Armeepferden, welche die Zahl im Produktnamen symbolisieren sollten, geschleppt wurde, um sich den mehr als 35.000 Besuchern in gleißendem Sonnenlicht zu präsentieren. Blasmusikanten, Akkordeonisten, Fahnenschwinger und Jodler: Alle waren sie gekommen, um dem jüngsten Spross des größten Arbeitgebers im Kanton Nidwalden die Ehre zu erweisen.
Schwenks Wink an die Politik
Unter den geladenen Gästen, die sich auf den 4500 gedeckten Sitzplätzen niederlassen durften, befanden sich neben den Pilatus-Mitarbeitern und Kundenvertretern zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik. Ueli Maurer als Repräsentant des Bundesrats trug seinen Teil zum Spektakel bei, indem er in einer PC-6 der Schweizer Luftwaffe in steilem Sinkflug auf das Flugplatzgelände zusteuerte und direkt vor den Zuschauerrängen landete. Besser hätte man die STOL-Eigenschaften der „Porter“ nicht demonstrieren können! Der Verteidigungsminister gratulierte Pilatus zur „herausragenden unternehmerischen Leistung“ und bedankte sich bei der Innerschweizer Flugzeugfirma für deren Beitrag zum Ansehen des Landes im Ausland. Gleichzeitig bestätigte Maurer den Kauf einer PC-24 durch die Landesregierung, die damit die Cessna Citation Excel, einen der beiden Bundesratsjets, ersetzen will. Res Schmid, Nidwaldner Landammann und ehemaliger Pilatus-Testpilot, lobte den Mut und das Selbstvertrauen der Unternehmensleitung bei der Entwicklung der PC-24 und zeigte sich vom Erfolg des neuen Businessjets überzeugt. Pilatus-Verwaltungsratspräsident Oscar J. Schwenk sagte in seiner Rede, für die Sicherung des Industriestandorts Schweiz brauche es mehr Mut und den Abbau von bürokratischen Hürden, und forderte in seiner bekannt gradlinigen Art: „Für jede neue Vorschrift muss erst eine alte verschwinden.“
Oscar J. Schwenk, Verwaltungsratspräsident von Pilatus: „Die PC-24 markiert einen großartigen Meilenstein in unserer 75-jährigen Geschichte!“
Erstflug im Frühjahr
Unmittelbar nach der Rollout-Zeremonie kehrte der für das feierliche Ereignis mit chrom- und goldfarbenen Edelweiss geschmückte Jet in die Pilatus-Werkhallen zurück, wo das Festkleid wieder entfernt wurde und das Flugzeug in den kommenden Wochen und Monaten alle für die Boden- und Flugerprobung notwendigen Testeinrichtungen erhält. Der Erstflug soll nun im Gegensatz zu früher gemachten Aussagen nicht mehr dieses Jahr, sondern Ende März 2015 stattfinden. Schwenk erklärte die etwa dreimonatige Verspätung damit, dass es Änderungen im Erprobungsprogramm gegeben habe: „Wir wollten anfangs mehr Tests machen und hatten die Absicht, das Destructive Testing nach dem Erstflug zu machen. Wir haben dann entschieden, auf der sicheren Seite zu bleiben und diese Tests vorher durchzuführen.“ Um die Festigkeit der Tragflächen zu prüfen, wird ein Flügel der PC-24 bei der IABG in Ottobrunn bis zum Bruch belastet. Pilatus ist nicht zum ersten Mal Kunde beim deutschen Technologieunternehmen: Schon für die PC-12 wurden hier Ermüdungstests durchgeführt. In Stans, dem Standort des Unternehmens, steht zudem ein „Iron Bird“ zur Verfügung, der es den Ingenieuren erlaubt, alle Systeme virtuell zu überprüfen.
Die PC-24 wird mit der „Pilatus Advanced Cockpit Environment“ (ACE) auf Basis der Primus-Epic-Avionik von Honeywell ausgerüstet.
Drei Prototypen
Zu den zahlreichen Herausforderungen, die Pilatus in nächster Zeit meistern muss, zählt die Gewichtsreduktion. Wie dies bei vielen neuen Flugzeugprogrammen der Fall ist, bringt auch die PC-24 gegenwärtig noch zu viele Kilos auf die Waage – für Oscar Schwenk eine echte Knacknuss: „Ein solches Problem kann man nicht von heute auf morgen lösen. Dazu braucht es vielleicht zwei Jahre.“ Eine der Ursachen für das Übergewicht des Flugzeugs ortet der Pilatus-Chef beim Fahrwerk. Die PC-24 verfüge über sehr gute, aber etwas zu schwere Reifen. Im Gespräch mit dem Hersteller habe man gesehen, dass noch einiges an Gewicht eingespart werden könne; dies habe aber Folgen auf der Kostenseite: „Ein Flugzeug zu bauen bedeutet immer, Kompromisse zu machen. Entweder ist das Flugzeug zu schwer, zu langsam oder nicht innovativ genug. Theoretisch könnten wir ein besseres Flugzeug als die PC-24 machen, aber das wäre nicht mehr erschwinglich für den Kunden“, beschreibt Schwenk das Dilemma vieler Flugzeugbauer.
An der Flugerprobung, die ungefähr zwei Jahre dauern und rund 2400 Flugstunden umfassen soll, werden insgesamt drei Prototypen teilnehmen. Flugzeug Nummer 1 soll Aufschluss geben über das aerodynamische Verhalten, wobei der Flugleistungsbereich (Flight Envelope) laut Schwenk von Beginn an weit geöffnet wird. Die zweite PC-24 wird für Tests der Cockpitsysteme verwendet, während das dritte Testexemplar die Kabine und erste kundenspezifische Innenausstattungen auf ihre Alltagstauglichkeit überprüfen soll. Während der Testflüge werden bis zu 1000 Parameter gemessen und simultan an das Testzentrum am Boden gesendet und dort ausgewertet. Die Zertifizierung, die – ein Novum für Pilatus – zum ersten Mal direkt durch die EASA und nicht mehr durch das einheimische Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) erfolgen wird, ist für 2017 geplant. Im selben Jahr soll auch die Erstauslieferung erfolgen.
Wie schon bei der PC-12 soll sich auch die Kabine der PC-24 leicht für verschiedene Einsatzszenarien umrüsten lassen.
Neue Bestellungen ab Ende 2015
Abnehmer hat der PC-24 bekanntlich während der EBACE im Mai dieses Jahres in großer Zahl gefunden, wobei diejenigen Betreiber, die ihr neues Fluggerät in den Jahren 2017 und 2018 übernehmen werden, mit 8,9 Millionen Dollar einen vorteilhafteren Preis zahlen als jene, die die PC-24 ein Jahr später einführen werden. Letztere müssen bereits 9,3 Millionen auf den Tisch legen. An wen das erste Exemplar dereinst gehen wird, ist noch unklar. Schwenk sagte in Stans lediglich, der neue Bundesratsjet werde eine Seriennummer „zwischen 20 und 30“ tragen. Auch wenn das neueste Produkt aus dem Hause Pilatus bis Ende 2019 ausverkauft ist, soll es natürlich nicht bei den bisher 84 eingegangenen Bestellungen bleiben. „Ich denke, dass wir etwa ab Ende 2015 wieder neue Orders entgegennehmen werden“, erklärte der Pilatus-Chef. Große Hoffnungen setzt er auf den chinesischen Markt, wenn auch erst mittelfristig. Das vor einem Jahr gegründete Joint Venture mit China ist aber laut Schwenk nicht in die Herstellung der PC-24 involviert, dort sollen lediglich die PC-6 und später die PC-12 für den lokalen Markt gebaut werden.
Als größten Konkurrenten für „sein“ Flugzeug bezeichnete er die Phenom 300, welche in den Kabinenabmessungen aber eher etwas kleiner ist als das Pilatus-Produkt.
Ob der brasilianische Businessjet in seiner Heimat, deren Bevölkerung ausgelassenen Feierlichkeiten ja auch nicht abgeneigt ist, beim Rollout vor gut sechs Jahren ebenso enthusiastisch präsentiert wurde, ist nicht bekannt.
Thomas Strässle