Sicherheitsdebatte um gestohlene Pässe
Kuala Lumpur/Peking, 10. März 2014 Pässe zweier Europäer sind seit Monaten als gestohlen gemeldet. Trotzdem kommen Männer damit in die malaysische Boeing. Es ist nicht die erste Panne der Airline. Mit der laxen Sicherheit steht sie nicht alleine da. Wie gut sind die Kontrollen für internationale Flüge? Malaysias Innenminister ist wütend. Zwei Passagiere hatten es […]
Kuala Lumpur/Peking, 10. März 2014
Pässe zweier Europäer sind seit Monaten als gestohlen gemeldet. Trotzdem kommen Männer damit in die malaysische Boeing. Es ist nicht die erste Panne der Airline. Mit der laxen Sicherheit steht sie nicht alleine da. Wie gut sind die Kontrollen für internationale Flüge?
Malaysias Innenminister ist wütend. Zwei Passagiere hatten es mit von Europäern geklauten Pässen in die malaysische Boeing MH370 geschafft. Seit Samstag ist das Passagierflugzeug verschollen. Die Dokumente waren seit vielen Monaten als gestohlen gemeldet. Weder den Grenzbeamten noch den Mitarbeitern der Fluggesellschaft Malaysia Airlines scheint etwas aufgefallen zu sein.
„Mir ist das ein Rätsel. Wie können sie nicht nachgedacht haben? Ein Italiener und ein Österreicher mit asiatischen Gesichtszügen?“, zitiert die Nachrichtenagentur Bernama Innenminister Datuk Seri Zahid Hamidi. Das gehe aus einem Mitschnitt der Überwachungskamera hervor.
Wenige Stunden später widerspricht jedoch der Chef der Zivilluftfahrtbehörde, Azharuddin Abdul Rahman: „Wir haben die Videos untersucht und noch mal untersucht, und auch die Fotos – wir gehen jetzt davon aus, dass die Männer keine asiatischen Gesichtszüge haben.“ Das Hin und Her unterstreicht das Chaos nach dem Unglück und lässt die Behörden wenig kompetent erscheinen.
Mit Hochdruck läuft die Suche nach der verschollenen Boeing 777-200 mit 239 Menschen an Bord. Die Kritik am Sicherheitsmanagement der Fluggesellschaft wächst. Denn die Airline war vor zwei Jahren bereits von Neuseeland für einen Verstoß gegen Einreisebestimmungen zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
2012 hatte die Grenzbehörden von Neuseeland die Airline aufgefordert, einen Malaysier nicht mit an Bord eines Fluges nach Auckland zu nehmen. „Der Mitarbeiter beim Check-in hatte eine geänderte Passnummer eingetragen und so unser System umgangen“, sagte anschließend ein Beamter in einer Mitteilung der Regierung in Wellington.
Von solchen Pannen hört man auch in Peking gar nicht gerne. Gerade in China sinkt die Geduld mit den Fahndern in Malaysia. 154 Passagiere sind chinesische Staatsbürger. Chinas oberste Staatsführung ist alarmiert und schickt ein eigenes Team von Experten nach Kuala Lumpur. Sie sollen beim Identifizieren der Verdächtigen helfen – und vermutlich auch die Arbeit ihrer malaysischen Kollegen prüfen.
Auch Luftfahrtexperten in China sind besorgt. „Mit gestohlenen Pässen in einen internationalen Flug zu steigen, ist ungewöhnlich. Die Sicherheitskontrollen sind sehr streng“, sagt Zhang Qihuai von der Universität für Recht und Politik in Peking der Nachrichtenagentur dpa. „Selbst am 11. September 2001 haben die Terroristen ihre richtigen Pässe benutzt.“
Besonders die internationale Polizeiorganisation Interpol zeigt sich verärgert. Für Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen den gestohlenen Pässen und dem Verschwinden der Maschine sei es zwar noch zu früh, teilt Generalsekretär Ronald Noble in einer Stellungnahme mit. „Es ist aber höchst besorgniserregend, dass es überhaupt Passagiere gibt, die einen internationalen Flug mit als gestohlen registrierten Pässen antreten können.“
Die Pässe waren 2012 und 2013 in Thailand gestohlen worden und seitdem in der Interpol-Datenbank registriert. Ein Abgleich der Daten in Kuala Lumpur hätte die Täuschung wohl auffliegen lassen. „Seit Jahren fragt Interpol, warum Länder bis zu einer Tragödie warten, bis sie umsichtige Sicherheitsvorkehrungen an Grenzen und Gates an Flughäfen treffen“, kritisiert Noble. Lediglich eine Handvoll Länder auf der Welt kümmere sich darum, dass keine Passagiere mit gestohlenen Pässen internationale Flüge betreten können.
Ein 37 Jahre alter Italiener war auf der Insel Phuket in Thailand, als ein Mann mit seinem gestohlenen Pass in die Boeing stieg. „Papa, mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht tot“, erzählte er seinem Vater in Italien am Telefon, wie die Nachrichtenseite Meteoweb berichtete. Auch der Pass des Österreichers soll in Phuket gestohlen worden sein.
Für Sicherheitsexperten kommt die Information nicht überraschend, dass beide Pässe in Thailand abhandenkamen. Das Land hat seit zwei Jahrzehnten einen Ruf als Umschlagplatz für gestohlene Reisedokumente. Banden aus Südostasien organisieren das Geschäft mit den Pässen in enger Kooperation mit Verbrechergruppen aus Europa, wie thailändische Ermittler berichten.
Interpol versucht mit seiner Datenbank dagegenzuhalten. Sie wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA eingerichtet. Mittlerweile führt die Polizeiorganisation eine Liste mit mehr als 40 Millionen Einträgen. Zwar wird die Datenbank 800 Millionen Mal im Jahr aufgerufen, allerdings entfallen alleine auf die USA fast ein Drittel (250 Millionen) der Zugriffe, wie Interpol weiter mitteilte. Solange nicht mehr Länder die Daten nutzen, werden es wohl noch mehr Passagiere mit geklauten Pässen in internationale Flüge schaffen.
Quelle: dpa