Mobile/Toulouse Nirgendwo auf der Welt reisen die Menschen so gerne mit dem Flieger wie in den USA. Meist sind es Boeing-Jets. Airbus will die Bastion nun mit einem Werk im Land einnehmen. Vorbild könnten die deutschen Autobauer sein, die mit einer eigenen US-Fertigung erfolgreich sind. Was in Deutschland das Zugfahren ist, ist in den USA […]

Mobile/Toulouse

Nirgendwo auf der Welt reisen die Menschen so gerne mit dem Flieger wie in den USA. Meist sind es Boeing-Jets. Airbus will die Bastion nun mit einem Werk im Land einnehmen. Vorbild könnten die deutschen Autobauer sein, die mit einer eigenen US-Fertigung erfolgreich sind.

Was in Deutschland das Zugfahren ist, ist in den USA das Fliegen. Das Flugzeug ist in dem riesigen Land die bequemste und schnellste Art, die langen Strecken zurückzulegen. In den allermeisten Fällen steigen die Amerikaner dabei in Maschinen von Boeing ein. Doch nun dreht Airbus auf: Mit einer eigenen Fertigung mitten im Revier des Erzrivalen wollen die Europäer die Lücke auf ihrer Landkarte schließen.

Die Lokalpolitiker in der Stadt Mobile im US-Bundesstaat Alabama sind schon ganz aufgeregt. Hier im Süden der Vereinigten Staaten wird für geschätzte 600 Millionen US-Dollar die neue Airbus-Fabrik entstehen. Der Baubeginn ist bereits für den Sommer kommenden Jahres angesetzt, die Flugzeugmontage startet dann voraussichtlich 2015.

Gebaut werden sollen im ersten US-Werk Jets der A320-Familie. Die Maschinen sind quasi die Golfs der Lüfte und haben mit je nach Variante 100 bis 200 Sitzen ausreichend Platz für die meisten Verbindungen. Mit gut 50 bis 90 Millionen Euro sind sie zudem vergleichsweise erschwinglich und überdies seit Jahren bewährt.

Das Hauptziel des «Abenteuers Amerika» ist damit klar. Das Brot-und-Butter-Modell «Made in USA» soll Airbus endgültig die Tür zu den US-Fluggesellschaften aufstoßen, von denen einige im Inland reine Boeing-Flotten betreiben. Das wohl prominenteste Beispiel ist der große US-Billigflieger Southwest Airlines, der 558 Maschinen des A320-Gegenstücks B737 in der Luft hat. Gesellschaften wie die Lufthansa-Beteiligung JetBlue, die eher auf Airbus setzt, sind die Ausnahme.

«Die Zeit für eine Expansion von Airbus in Amerika ist gekommen», lautete am Montag die selbstbewusste Kampfansage von Airbus-Chef Fabrice Brégier. Er will dem Konkurrenten Boeing auf dessen Heimatmarkt deutlich Marktanteile abnehmen. Allein in den USA werden in den nächsten zwei Jahrzenten nach Expertenschätzung rund 4600 Maschinen vom Typ eines Airbus A320 benötigt.

Dass eine Fertigung in den USA die Verkäufe beflügeln kann, haben die deutschen Autobauer gezeigt. BMW, Mercedes und VW besitzen jeweils ein eigenes Werk im Land und steuern von einem Rekord zum nächsten. Eine knappe halbe Million Fahrzeuge sind die Konzerne nach Zahlen des Marktbeobachters Autodata in den ersten fünf Monaten des Jahres in Übersee losgeworden – das sind satte 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Vorteile bietet die Fertigung in den USA allerdings nicht nur wegen der räumlichen Nähe zum Absatzmarkt. Airbus leidet seit Jahren immer wieder unter der Dollar-Schwäche. Denn Flugzeuge werden in der US-Währung abgerechnet, die Arbeitskosten bei Airbus fallen aber hauptsächlich in Euro an. Ein um 10 US-Cent höherer Wechselkurs kann das Airbus-Ergebnis so schnell mit rund einer Milliarde Euro belasten. Die Fertigung in den USA würde das Unternehmen zumindest teilweise von den Schwankungen abkoppeln. Dies könnte in Zukunft höhere Gewinne bedeuten – vor allem, wenn die Produktionskapazitäten für den spritsparenden Kassenschlager A320neo steigen.

Hoffnungen auf den neuen Standort dürfte auch die Militärsparte von EADS setzen. Sie scheiterte jüngst im Kampf um einen milliardenschweren Tankflugzeug-Auftrag der US Air Force gegen den Erzrivalen Boeing. Mit dem neuen Werk dürfte es einen Grund weniger geben, sich auch künftig aus nationalen Interessen für Boeing zu entscheiden.

Airbus will seine Fertigung nun ausgerechnet in jener Gegend aufziehen, in der sich schon die deutschen Autobauer niedergelassen haben. Von der Stadt Mobile aus sind es bis zum Mercedes-Werk in Tuscaloosa etwa 300 Kilometer, zu VW in Chattanooga in Tennessee rund 600 Kilometer und zu BMW in Spartanburg in South Carolina 800 Kilometer – für amerikanische Verhältnisse ist das Nachbarschaft.

Quelle: Daniel Schnettler und Ansgar Haase, dpa