Spohr muss Lufthansa-Sanierung im schwierigen Umfeld vollenden
Der Chefwechsel findet bei Lufthansa in einer schwierigen Zeit statt. Das extrem anspruchsvolle Sparprogramm «Score» muss in einem umkämpften Markt durchgezogen werden. Die Bedingungen sind hart. Frankfurt/Main (dpa) – Die Börse feiert die Fortschritte bei der Sanierung der Lufthansa. Doch zum Abgang des scheidenden Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz sind viele Sparerfolge noch Zukunftsmusik, vorerst bleiben die […]
Der Chefwechsel findet bei Lufthansa in einer schwierigen Zeit statt. Das extrem anspruchsvolle Sparprogramm «Score» muss in einem umkämpften Markt durchgezogen werden. Die Bedingungen sind hart.
Frankfurt/Main (dpa) – Die Börse feiert die Fortschritte bei der Sanierung der Lufthansa. Doch zum Abgang des scheidenden Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz sind viele Sparerfolge noch Zukunftsmusik, vorerst bleiben die Gewinne schmal. Vollenden muss das Werk sein Nachfolger Carsten Spohr, der zum 1. Mai den Steuerknüppel übernimmt. Er trifft auf folgende Herausforderungen:
FÜHRUNGSTEAM: Mitten im größten Sparprogramm seiner Geschichte wechselt der Lufthansa-Konzern seinen Kapitän aus. Auf den zum Pharma-Riesen Roche wechselnden Franz folgt mit dem bisherigen Chef des Geschäftsfeld Passage Spohr aber ein erfahrener Lufthanseat, der zwar keine Eingewöhnungszeit benötigt, aber nun baldmöglichst Erfolge vorweisen soll. Auch bei den weiteren Personalentscheidungen in der Folge des Franz-Abgangs vertraut Lufthansa auf Manager aus dem eigenen Haus, so dass Spohr in seiner neuen Führungsrolle nicht gefährdet scheint.
GESCHÄFTSLAGE: Die internationale Luftverkehrsorganisation IATA hat gerade die Jahres-Gewinnerwartungen für alle europäischen Gesellschaften zusammen auf noch 2,2 Milliarden Euro nach unten korrigiert. So viel will die Lufthansa operativ mit allen Geschäftsfeldern im kommenden Jahr allein verdienen. Die Ertragsmargen bleiben laut IATA angesichts hoher Steuern, drückender Regulierung und ungelöster Infrastrukturprobleme etwa beim einheitlichen europäischen Luftraum mickrig bei unter zwei Prozent. Weitere Gefahren für das Europa-Geschäft gehen vom zuletzt wieder gestiegenen Ölpreis und den Unsicherheiten aus dem nahen Ukraine-Konflikt aus.
KONKURRENZ: Der Wettbewerb auf dem weltweit schwierigsten Luftverkehrsmarkt nimmt weiter an Schärfe zu. Der Branchenriese Lufthansa wird von mehreren Seiten in die Zange genommen. Die wichtigsten Billigflieger Ryanair und Easyjet passen ihre Geschäftsmodelle ständig an. So fliegt Ryanair nicht mehr nur abgelegene Billig-Flughäfen an, sondern ist zunehmend in Metropolen wie Barcelona oder Brüssel präsent und demnächst wieder über Reisebüros buchbar. Die hochprofitable und bereits in Berlin erfolgreiche Easyjet hat Hamburg zum nächsten Kampffeld erklärt, auf dem sie Lufthansa gleich im ersten Jahr eine Million Passagiere abspenstig machen will. Lufthansa hält mit der kostengünstigen Germanwings dagegen.
Am arabischen Golf basteln die verschiedenen Emirate weiter mit einzigartigen Wettbewerbsvorteilen am Aufbau einer eigenen Luftverkehrsbranche. Am weitesten ist Dubai, dessen Airline Emirates in wenigen Jahren über 140 Airbus A380 verfügt, zehnmal so viele wie die Lufthansa. Die Gesellschaft fliegt bereits jetzt täglich 118 Verbindungen von und nach Europa. Im vergangenen Jahr nutzten 6,3 Millionen Passagiere das Angebot. Emirates drängt darauf, künftig auch in Berlin und Stuttgart landen zu dürfen. Konkurrent Etihad aus Abu Dhabi stützt die zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin mit Millionen Petro-Dollars und sucht allgemein in Europa nach günstigen Einstiegsmöglichkeiten, derzeit bei der maroden Alitalia.
POLITIK: Der Luftverkehr hatte es in den vergangenen Jahren in der Bundespolitik nicht leicht. Die nationale Luftverkehrssteuer, die jeden Start im Inland verteuert, soll auch in Zeiten der Großen Koalition das Staatssäckel füllen. Die Steuer bietet der europäischen Lufthansa-Konkurrenz Anreize, Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze zu locken. Grenznah lebende Passagiere können gleich auf ausländische Flughäfen und Airlines ausweichen. Der von der Branche angemahnte nationale Luftverkehrsplan ist vorerst ferne Zukunftsmusik. Weitgehende Pläne zum weltweiten Emissionshandel im Luftverkehr hat die EU auf internationalen Druck vorerst auf Eis gelegt. Weiterhin werden aber Flüge aus Europa mit den Abgaben belastet.
TARIFE: Lufthansa steht wie kein zweites Unternehmen in ständigen Tarifverhandlungen mit unterschiedlichen Berufsgruppen und muss zudem Arbeitskämpfe bei Dienstleistern wie der Flugsicherung oder den Flughäfen ertragen. Im eigenen Haus geht kaum noch eine Tarifrunde ohne Streiks über die Bühne, zuletzt streikten die Stewardessen und getrennt davon das Bodenpersonal. Aktuell stimmen die mehr als 5000 Piloten noch bis 21. März über einen Streik ab, weil sie seit rund zwei Jahren ohne Tariferhöhung fliegen. Lufthansa hat außerdem die Vereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung und den Übergangsregelungen bis zur gesetzlichen Rente aufgekündigt, was zu großem Unmut in der Belegschaft geführt hat.
PRODUKT: Mit ihrer historisch gewachsenen Flotte ist Lufthansa gegenüber jüngeren Gesellschaften ins Hintertreffen geraten. Investitionen in Flugzeuge und den Komfort der Fluggäste haben sich aufgestaut, werden nun aber nachgeholt. Die Business-Klasse erhält Jahre nach der Konkurrenz komplett flache Betten, und auch eine bei anderen Gesellschaften seit langem erfolgreiche Zwischenklasse namens «Premium Economy» wird es ab November an Bord der Kranich-Langstreckenflieger geben.