23.08.2016 Jedes Jahr treffen sich auf der dänischen Nordseeinsel Fanø Tausende strickende Frauen – um sich an der Nadel weiterzubilden, besonders schöne Garne zu finden und sich mit anderen auszutauschen. Doch der Spätsommer ist nicht nur die Zeit für das Strikkefestival. Nordby (dpa/tmn) – Bodil, Heidi und Birgit habe sich an diesem Mittag ein gemütliches […]

23.08.2016

Jedes Jahr treffen sich auf der dänischen Nordseeinsel Fanø Tausende strickende Frauen – um sich an der Nadel weiterzubilden, besonders schöne Garne zu finden und sich mit anderen auszutauschen. Doch der Spätsommer ist nicht nur die Zeit für das Strikkefestival.

Nordby (dpa/tmn) – Bodil, Heidi und Birgit habe sich an diesem Mittag ein gemütliches Plätzchen in der Sonne gesucht, ihre Kaffeebecher sind fast leer. Heidi breitet einen dunkelgrauen Pullover mit einem kompliziert aussehenden Zopfmuster auf dem Tisch aus, Birgit hat eben eine Unmenge von Maschen auf eine Rundstricknadel aufgenommen. Die Nadeln in Bodils Hand klappern leise vor sich hin. Die drei Frauen haben den Vormittag auf dem Strikkefestival auf der dänischen Nordseeinsel Fanø verbracht, Vorträgen zugehört und Workshops besucht – nun wird es Zeit, selbst wieder kreativ zu werden.

Viele Frauen haben einen Strickstrumpf in der Tasche – oder sie probieren ein paar Reihen mit der neuen Wolle aus, die sie an einem der Stände in dem großen Zelt gekauft haben: Feines Kaschmirgarn für ganz dünne Nadeln gibt es hier ebenso wie die kratzige dicke Wolle aus Island oder von den Shetland-Inseln. Und an fast jedem Stand wird gestrickt. Oder gehäkelt. Die einen haben einen Strumpf auf vier Nadeln in der Hand und arbeiten mit der fünften die Maschen ab. Andere stricken Muster, die kreuz und quer in alle Richtungen zeigen – und doch ganz einfach zu herzustellen sind.

Im Jahr 2005 nahm alles seinen Anfang – als kleines Treffen für Strickbegeisterte auf Fanø. Doch dann hat das Fest ein Eigenleben entwickelt, 2014 zählte man mehr als 10 000 Besucherinnen. Männer sind hier von jeher nur Beiwerk, die meisten fahren ihre Frauen zum Ort des Geschehens und dann schnell wieder weg, sagt Christel Seyfarth. Sie ist die Organisatorin des Festivals und hat in Nordby ein Geschäft, in dem sie Wollenes verkauft. Am liebsten große Stücke mit bunten Mustern. «Das Kleine ist nicht so mein Fall», sagt sie. Lieber strickt sie Pullis, Jacken, Ponchos oder Tücher. «Immer mit Muster und immer mit der Hand.» Eine Weile hat sie auch auf der Strickmaschine gearbeitet. «Aber das ist nichts für meine Sachen: Da kann man nur mit zwei Farben arbeiten.»

Auch Ann Højgaard Slot benutzt die Strickmaschine nur im Ausnahmefall. Die Frau mit den markanten schwarzen Haaren kommt von den Färöerinseln und hält einen Workshop übers das Stricken in ihrer Heimat. «Bei uns stricken alle», sagt die Frau. Sechs oder sieben Jahre war sie alt, als sie ihren ersten Pullover vollendete. «Ich habe nie aufgehört zu stricken.» Studiert hat Ann in Kopenhagen. «Wenn ich da mit meinen Stricknadeln in der U-Bahn saß, konnte ich spüren, wie mich die Leute schräg anschauen.»

Heute ist Stricken wieder in. «Die älteren Semester haben immer gestrickt», sagt Christel Seyfarth. Viele jüngere Frauen hingegen haben die Handarbeit zwar gelernt, aber zugunsten anderer Hobbys aufgegeben. «Sie fangen oft wieder an, wenn sie Kinder bekommen und etwas Besonderes für den Nachwuchs machen wollen.»

Ebenso wie Männer sind auch Anfängerinnen Fehlanzeige beim Strikkefestival. «Ich muss regelmäßig die Anfängerkurse streichen», sagt Christel. Die Frauen, die kommen, wollen neue Tricks und Kniffe lernen oder wissen, wie man selbst ein Design macht. «Aber stricken lernen will keine von ihnen, sie sind alle Profis.»

Das gilt auch für den Workshop von Ann Højgaard Slot. «Manchen Frauen haben Interesse an den traditionellen Mustern unserer Inseln und der Geschichte dahinter», sagt sie und zeigt auf die Muster, Mützen und Pullover, die sie mitgebracht hat. Andere wollen die Technik lernen, abwechselnd mit verschiedenen Farben zu stricken, wie es Brauch ist bei den oft grafischen Mustern, die seit Jahrhunderten auf den Inseln zwischen Norwegen und Island gefertigt werden.

«Schafe und Fisch waren das Einzige, was man auf den Inseln früher hatte», sagt Ann. Und warme Kleidung gegen den kalten Wind und den vielen Regen war nur aus Wolle zu machen. «Früher überwiegend in Schwarz und Weiß, gefärbt wurde nicht so viel.» Heute gibt es Färöer-Wolle in allen Variationen – dick, dünn, dezent oder knallfarben. «Die Wolle hat einen recht hohen Lanolin-Gehalt, daher ist sie gut für Kleidung gegen den kalten Wind.» Auch die Muster hätten einen ganz praktischen Hintergrund, sagt die diplomierte Textildesignerin, die mal Lehrerin war. «Die Fäden werden auf der linken Seite mitgezogen, dadurch ist der Pulli oder die Jacke eigentlich doppelt gestrickt.» Mehr Schutz gegen raues Wetter.

Auch auf Fanø kann man im Strickfestival-Monat September einen dicken Pulli gut gebrauchen. Denn der Wind weht kräftig von der Nordsee, die Sonne hat die Kraft des Sommers verloren. Das Wasser kommt kaum mehr an die 20-Grad-Marke heran. Doch der September ist auf der kleinen Insel im Süden Dänemarks noch aus einem anderen Grund ein besonderer Monat: Die Austern-Saison beginnt. Das ist auf Fanø genauso unkompliziert wie fast alles andere auch: Man schaut nach den Gezeiten, geht bei Niedrigwasser ins Watt und sucht so viele Austern, wie man kann. Oder man geht mit einer geführten Tour.

Eine gute Ausbeute können nach einem ordentlichen Sturm auch die Strandspaziergänger machen, die nach Bernstein suchen. Denn der wird häufig an den breiten Stränden angeschwemmt, wenn der Wind fest geweht hat. Oder man geht Kite-Surfen.

Das alles sind hervorragende Beschäftigungen für die weniger strickbegeisterten Partner der Handarbeiterinnen, die in Nordby mit den Nadeln klappern. «Die Insel ist zwar klein, aber sie hat für jeden etwas zu bieten», sagt Christel Seyfarth. Sie ist auf Fanø geboren und bis heute hier. Daran wird sich auch nichts ändern.

Verena Wolff, dpa

 

Info-Kasten: Fanø

Reiseziel: Fanø ist die nördlichste der dänischen Wattenmeerinseln. Sie liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Sylt. Von der Nord- bis zur Südspitze ist die Insel nur knapp 15 Kilometer lang, 3000 Menschen leben dort. Die größten Orte sind Nordby und Sønderho.

Anreise: Von Hamburg aus fährt man in etwa vier Stunden mit dem Zug oder dreieinhalb Stunden mit dem Auto nach Esbjerg. Der nächste Flughafen auf dänischer Seite ist Billund, den die Lufthansa von Frankfurt aus viermal am Tag anfliegt. Von Esbjerg setzt eine Autofähre nach Nordby auf Fanø über.

Übernachtung: Es gibt ein paar kleine Hotels und Pensionen auf Fanø. Der überwiegende Teil der Gäste mietet allerdings ein Ferienhaus – von denen gibt es ganze Siedlungen auf der Insel.

Informationen: Visit Denmark, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg (Tel.: 01805/32 64 63, www.visitdenmark.de).